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handheld-GPS - Örtlicher Messrahmen - Landeskoordinaten
Keine Frage, die Gerätekombinationen aus Tachymeter und anspruchsvollem GPS eröffnen bisher undenkbare Erleichterungen; vgl. Leica `SmartStation´ und Vergleichbares. Aber aus Kostengründen wird derlei Ausrüstung auf nicht absehbare Zeit für viele Prospektoren und Ausgräber nicht zur gewohnten Ausrüstung gehören. Nun, es ist keine Schande, in der offenen Feldflur und in Baugebieten sich auf herkömmliche Weise auf diverse Grenzpunkte, Trigonometrische Punkte und Höhenpunkte zu beziehen.
Wo gibt es Probleme?
So richtig anspruchsvoll aus vermessungstechnischer Sicht gestaltet sich das Arbeiten in Arealen ohne Vermessungspunkte in Sichtweite. Die Ursache dafür sind meist große Flächen in der Hand eines Eigentümers oder Pächters. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedarf es sehr wohl der Strukturierung und Markierung einzelner Parzellen im Gelände, wobei in der Regel Landeskoordinaten jedoch keine Rolle spielen. Gemeint sind hier Land- und Forstbetriebe, die 500 Hektar und mehr bewirtschaften. Viele ausgedehnte Flächen in öffentlicher Hand zählen dazu. Dort muss der ungeliebte Polygonzug über sehr weite Strecken geübt werden. Das extremste Beispiel dürften Untersuchungen untergegangenen Kulturlandes im Wattenmeer der Nordsee darstellen.
Abb. 1: Das ruft nach GPS-Einsatz: Das Wattenmeer, eine geodätische Wüste.
Fotos: N. Fischer, Mainz
Wer in sehr heißen oder subpolaren Klimazonen tätig ist, sieht sich ausgedehnten Ödflächen gegenüber, wo kein Mensch je einen Grenzstein gesetzt hat. In solchen Fällen hilft nur GPS. Sollte die wissenschaftliche Leitung beim Stichwort "Metergenauigkeit" noch bedenklich zucken, hilft der Hinweis auf die kostenintensiven Alternativen und das Zitieren eines geodätischen Fachausdrucks: Inselkarte. Das sind Dokumentationen im selbst geschaffenen Messnetz ohne Einbindung in die Landesvermessung- in den Generationen vor uns aus der Not heraus häufig praktiziert.
Abhilfe und Genauigkeitsoptimierung durch kombinierte Verfahren
Diese vorgenannten Rahmenbedingungen mit archäologischen Befundarealen in isolierter Lage (!) lassen sich nach derzeitigem Stand der Technik durch besonderen Einsatz von einfachen GPS-Geräten meistern, um doch noch in Metergenauigkeit Koordinaten zu bestimmen. Zur Verdeutlichung sei gesagt, Kleingeräte in Größe einer Zigarettenschachtel bleiben unberücksichtigt. Hier sind Geräte gemeint, die von 200,- Euro aufwärts kosten. Die im Englischen so treffend als "handheld" bezeichnete Geräteklasse wird von den Herstellern in die Genauigkeitsklasse etwa 15m eingestuft.
Der Lösungsweg sieht folgendermaßen aus:
Abb. 3: Vor Abfrage des Almanachs müssen bekannt sein -geograph. Position -Weltzeit bezüglich Greenwich ggf. unter Berücksichtigung der Sommerzeit -tiefstmöglicher Empfangswinkel zwischen Satelliten und Horizont im Messgebiet.
Graphik: N. Fischer nach Vorlage von TRIMBLE
Abb. 4: Beim Einmessen an die optimale Geräteposition denken.
Foto: V. Fischer, Mainz
Jedes qualitätvolle GPS-Gerät bietet die Möglichkeit zur Mittelwertbildung während einer Punktmessung- auch die Handgeräte > 200,- Euro. Nach Studium der Gebrauchsanweisung sollte diese Möglichkeit die Messwertgenauigkeit steigern helfen. Die spätere Auswertung wird erleichtert, wenn die so gewonnenen Messwerte mit gut unterscheidbaren Bezeichnungen im Messwertspeicher landen. Es empfiehlt sich sehr, nicht etwa 6 x immer an der gleichen Stelle zu messen, weil die so gewonnenen Koordinaten unter fast identischer Satellitenkonstellation registriert worden sind. Es kommt der Auswertung zugute, wenn in einer ersten Meßserie alle Punkte umlaufend abgegangen werden. Dem schließen sich die anderen Meßserien an. Der ausführende GPS-Vermesser soll also nicht nur hochkonzentriert, sondern auch gut zu Fuß sein. In einem derartigen vermessungstechnischen Rundlauf finden die Einzelmessungen unter sich leicht, aber ständig verändernden Satellitenstellungen statt. So bleibt die Chance gewahrt, eventuell ungünstige Anordnungen mit dem Ergebnis günstigerer Position im Weltraum auszugleichen.
Abb. 5: Der besseren Erkennbarkeit wegen sind hier nur die Hauptwerte der Koordinaten dargestellt. Schwarze Punkte stellen GPS-Einzelmessungen dar.
6 Referenzpunkte des großen Messrahmens lassen sich mit den Punktwolken zur Deckung bringen. Selbst wenn ein oder zwei Punktwolken zu zerfleddert sein sollten, ermöglichen die anderen vier Referenzpunkte eindeutige Zuordnung.
Graphik: N. Fischer, Mainz
Bitte daran erinnern: Die durch GPS ermittelten Koordinaten dienen der Einhängung des Untersuchungsgebietes in ein übergeordnetes Koordinatennetz. Innerhalb des örtlichen Messrahmens arbeiten wir im Rahmen unserer Genauigkeitsvorstellungen mit einem selbst bestimmten Koordinatensystem.
Was leistet die vorgestellte Methode nun wirklich?
Zu Testzwecken bot sich eine häufig anzutreffende regelmäßige Struktur unter freiem Himmel an, nämlich die Markierungen eines Fußballplatzes. Vor Ort ließ sich ein Rechteck von 68,00 m x 105,00 m bestimmen. Zusätzlich zu den vier Außenecken ergaben die Winkel der Mittelinie weitere Fixpunkte, sodass die Mindestzahl von 6 Referenzpunkten vorlag. Wie zuvor beschrieben, ließ sich die Testperson vom Satellitenalmanach die günstigsten Arbeitszeiten diktieren. Um die Punktwolken nicht zu dicht erscheinen zu lassen, blieb es bei dieser Demonstration bei 5 Einzelmessungen pro Referenzpunkt.
Allgemein erster Eindruck: Am Ostrand lagen zerfledderte Punktwolken vor. Die nördlichste Punktwolke weist einen deutlichen Ausreißer auf.
Abb. 6: Die Einzelmessungen der südlichsten Punktwolke liegen dicht beisammen. Die Einzelabstände betragen 3,2 m, meistens viel weniger. Die nördlichste Punktwolke enthält einen deutlichen Ausreißer, sodass der Maximalabstand 12,08 m erreicht.
Graphik: N. Fischer, Mainz
Nun schloss sich ein Probieren und Vergleichen mit einem einfachen CAD-System an, welches Streckenmessungen zwischen allen Punkten erlaubte. Koordinaten ließen sich an jeder beliebigen Stelle ermitteln.
Ergebnisse
Sollwert: Rechteck 68,0 m x 105,0 m
a)
Die mit einem GARMIN handheld GPS 12 gesammelten Daten ließen ein Rechteck von 67,7 m x 105,7 m erschließen. Dies ist im Rahmen angestrebter Metergenauigkeit ein akzeptables Ergebnis, erhalten durch eine Kombination aus messtechnischer und graphischer Mittelwertbildung.
Abb. 7: Hier wird die unterschiedliche Güte und Verwendbarkeit der Punktwolken ersichtlich. Weil 6 Referenzpunkte zur Verfügung stehen, machen die guten Punktwolken die Mängel der schlechteren Punktwolken wett.
Graphik: N. Fischer, Mainz
b)
Die zum Vergleich mit einem Leica GPS GS 50 gesammelten Daten, einem Gerät mit Empfangsmöglichkeit für einen Korrektursender (`beacon´), ließen bei nur 3 Messungen pro Referenzpunkt ein Rechteck mit einer Breite von 68,0 m, 68,1 m und 68,4 m erschließen. Die Bestimmung der Länge ergab jeweils 104,9 m. Dieses Gerät der Genauigkeitsklasse 1 bis 3m lieferte also im Mittel das Ergebnis 68,2 m x 104,9 m. Die Anwendung der vorgestellten kombinierten Methode ermöglichte also den Vorstoß in die Viertelmetergenauigkeit mit einem beacon-Gerät.
Abb. 8: Selbst im Maßstab 1:600 sind die jeweils 3 Einzelmessungen des höherwertigen GPS-Gerätes mit Korrektursender kaum noch auseinander zu halten. Unter solchen Umständen ist die Zuordnung der 6 Referenzpunkte eine leichte Übung.
Graphik: N. Fischer, Mainz
Beurteilung
Wer einige Stunden Arbeitszeit einsetzt, kann in der Kombination aus maschineller und graphischer Mittelwertbildung- sei es von Hand, sei es mit CAD- metergenaue Koordinatenbestimmungen mit einfachen GPS-Geräten erreichen!
Norbert Fischer, Juni 2008
01
Sollte trotz aller Bemühungen die Streuung der Abweichungen zu groß sein, gibt es noch eine Möglichkeit zur Fehlerminimierung: GPS-Messungen nach Mitternacht und vor Sonnenaufgang! Bitte nicht lachen, aber in diesem Zeitfenster ist, ausreichend Satelliten vorausgesetzt, die Ionosphäre ruhiger und Handgeräte messen rund einen Meter genauer.
02
Welche Koordinaten suchen wir? In Deutschland geht es derzeit noch um Gauß-Krüger-Koordinaten. Der Aufbau eines einheitlichen europäischen Netzes (UTM) ist im Gange. Wer weltweit arbeitet, fährt mit den Angaben in Längengrad/ Breitengrad nicht schlecht. Für die schnelle Registrierung vor Ort empfiehlt es sich, den GPS-Empfänger auf WGS 84, dem World Geographic System, einzustellen. Damit arbeiten die satellitenabhängigen Geräte originär und davon ausgehend erfolgen Umformungen in alle denkbaren anderen Systeme. Weil diese Operation immer mit Rundungsverlusten verknüpft ist, transformiert der GPS-Profi immer von WGS 84 in ein anderes Koordinatensystem, aber keinesfalls von geographischer Länge und Breite in Gauß-Krüger oder von Gauß-Krüger in UTM usw. Wohlgemerkt, wir sprechen hier von GPS-Messergebnissen. Wer also geodätische Spezialitäten des Gastlandes nicht sofort klären kann, hat mit WGS 84 auf jeden Fall Datensicherheit und kann Transformierungen für später vorsehen.
03
Die vorgestellte Methode eignet sich natürlich, wie beim Test mit Leica GPS GS 50 gezeigt, auch zur Genauigkeitssteigerung bei höherwertigen GPS-Geräten.
04
Seit den Zeiten großer europäischer Seefahrer können mit astronomisch-trigonometrischen Methoden Punkte auf der Erde nach Längengrad/ Breitengrad bestimmt werden. Das erfordert allerdings mehrere Tage Aufwand und die Genauigkeit liegt nur zwischen 15 m bis 20 m. Der unterste Grenzwert mit optimaler Ausrüstung und mehreren Wochen (!) Beobachtungszeit liegt zwischen 2 m und 3 m.
N.F.
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