Affodill: Zaubertrank und Körbe
Dieses Frühjahr habe ich ein ganz besonderes Flechtmaterial in die Finger bekommen: einen Strauß Asfodelostängel aus Sardinien.
Asfodelo oder Affodill kommt Harry Potter Fans sicher bekannt vor. Im allerersten Zaubertrank-Unterricht stellt Professor Snape die von Harry damals noch nicht zu beantwortende Frage: „Potter! Was bekomme ich, wenn ich einem Wermutaufguss geriebene Affodillwurzel hinzufüge?“ Die richtige Antwort wäre gewesen: Den Trank der lebenden Toten. Tatsächlich war Affodill in der Antike eine Pflanze der Unterwelt. Sie wurde auf Gräber gepflanzt und die Affodillwiesen galten als „Wohnzimmer der Toten“.
Es gibt eine ganze Reihe gesunder Sachen, die man aus Affodill herstellen kann: Asfodelo-Honig, Wein und auch zahlreiche Heilmittel. Die Inhaltsstoffe der Wurzel halfen zum Beispiel bei der Bekämpfung von Hautkrankheiten. Man kann sogar einen Klebstoff daraus machen.
Weil die Stängel sehr stabil, biegsam und reichlich verfügbar sind, nutzte man sie auf Sardinien als Material zum Korbflechten. In einigen Dörfern wird dieses Handwerk noch ausgeübt. In diesem YouTube-Video bekommt man einen Eindruck der Arbeitsschritte von der Ernte bis zum fertigen Korb: lavorazione dell’asfodelo
Die flacheren Körbe sind Obst- oder Brotschalen, dienen zum Trocknen selbst gemachter Nudeln oder zum Abtropfen von frischem Käse, in den höheren werden verschiedene Lebensmittel aufbewahrt.
Das Material für die einzelnen Windungen der Körbe ist das luftige weiße Innere der Stängel. Dieses wird mit schmalen Streifen der Stängelaußenseite umnäht, wobei die Löcher mit einer Ahle aus einem spitzen Knochen vorgestochen werden. Die Technik ist das Spiralwulstflechten, das man auch von Bienenkörben aus Stroh kennt. Bei Asfodelo-Körben liegt die Umwindung dicht an dicht. Da es helle und dunkle Stängel gibt, können so auch grafische Muster eingearbeitet werden. Viele Beispiele sind im Internet unter dem Suchbegriff cestino asfodelo zu sehen.
Für mein kleines Korbflechtexperiment musste ich zunächst die Stängel längs teilen. Da sie schon etwas angetrocknet waren, weichte ich sie einige Zeit in Wasser ein. Mit einem scharfen Messer ließen sie sich dann gut spalten. Für das Umnähen war eine Nähnadel mit großem Öhr sehr praktisch.
Für mehr als eine kleine Spirale hat mein Vorrat nicht gereicht. Was mir am meisten vom Affodill in Erinnerung bleiben wird, ist auf jeden Fall der intensive fruchtige Duft, der nicht nur in den weißen Blüten, sondern sogar noch in den getrockneten Stängeln steckt.